Taroticum - Eine Kampagne für Kult: Divinity Lost
London, schmutziges, sündhaftes, magisches London. Ein Moloch auf einem Labyrinth erbaut. Zwei Leiber, wie im Liebesspiel eng verschlungen: Hier die Stadt. Und da die andere Stadt. Dazwischen nur ein dünnes Leinentuch. Leichentuch. Was als Wimmelbild erscheint, als Schmelztiegel, als unzähmbares Chaos folgt in Wirklichkeit einer ausgeklügelten Ordnung. Ein Plan, von keinem Menschen erdacht. Die Karten des Taroticum sind der Schlüssel, um diese Ordnung, die allen Dingen innewohnt aber in London ganz besonders präsent ist, zu verstehen. Und wer die geheime Ordnung der Dinge versteht, der kann sie verändern. Manipulieren. Kontrollieren. Das schwarze Auge des Terrors richtet sich begierig auf London. Sucht. Giert. Verschlingt. Etwas nähert sich. Das Leichentuch fällt...
Wir spielen die Kampagne "Taroticum" für Kult: Divinity Lost. Es handelt sich dabei um eine Neuauflage einer klassischen Kampagne aus den 1990ern, geschrieben von Gunilla Jonsson und Michael Petersén, den kreativen Köpfen hinter der 1. Edition von Kult.
Taroticum bietet den Spieler*innen die Möglichkeit, eine Entdeckungsreise in die Tiefen des Kult-Mythos anzutreten, die deren Charaktere nahe an das Erwachen führen kann. Vorausgesetzt natürlich, es gelingt ihnen am Leben und bei Verstand zu bleiben. Die ursprünglich recht lineare Kampagne wird durch das neue an PbtA angelehnte Regelwerk um einige Möglichkeiten zu intensivem Characterspiel erweitert.
Der Ausgangspunkt der Reise ist London.
Wir beginnen mit einem kurzen Vorspiel im Jahr 1892. Die Spieler*innen übernehmen die Rolle von Wärtern im Gefängnis Ihrer Majestät Sandburn. London ächzt unter der Last der Industrialisierung: Die Sonne mag zwar über dem weltumspannenden Empire Ihrer Majestät Königin Victoria niemals untergehen, doch was haben die Bewohner Londons davon. Die Sonne schafft es ohnehin nur an den wenigsten Tagen ihre Strahlen durch die aschfahle Wolkendecke über der Stadt zu pressen. Während die ländlichen Gegenden darben, sind die Städte überfüllt und verstopft von den elenden, schmutzigen Massen, die sich tagein, tagaus aus den aus dem Boden gestampften Arbeitervierteln in die Industrieanlagen und Werften schleppen, um ihre Leiber ins Getriebe des Maschinenraums dieses Empires zu werfen, an dessen Reichtum und Pracht nur die wenigsten Anteil haben. Die Überbevölkerung schlägt sich auch in den Gefängnissen nieder und Sandburn ist keine Ausnahme. Wäre da nicht der neue Gouverneur, Anthony Seymour, der ein besonders hartes und perfides Regiment eingeführt hat, wäre es längst zur Revolte gekommen, sind sich seine Protegés, die Captains der Wache, sicher.
Der Großteil der Kampagne spielt im Jahr 1992. Die britische Gesellschaft steckt in einem Interregnum. Die Ära des Thatcherismus hat die Gesellschaft tief gespalten : Auf der einen Seite die verarmte, ausgeblutete Arbeiterschicht, die sich aufgrund staatlicher Spardiktate schutzlos dem Ausverkauf der britischen Industrie ausgeliefert sieht. Auf der anderen Seite die glitzernden Wolkenkratzer Londons, wo Investmentbanker mit Währungen spekulieren und in Sekunden den Wohlstand von Nationen verbrennen. Die Eiserne Lady ist gefallen. Verraten von den Hinterbänklern der eigenen Partei. John Major, der hemdsärmelige und gutmütige Aufsteiger aus bescheidenen Verhältnissen, wurde zu ihrem Nachfolger erkoren. Er geht aus der General Election als Premierminister hervor. Aber ist er wirklich die Marionette, für die seine politische Ziehmutter ihn hielt? Manche Teufel töten mit einem freundlichen Lächeln auf den Lippen. Er führt die britische Gesellschaft in die Europäische Union, zugleich spielt er mit den Geistern des Patriotismus und Nationalismus, um den sozialen Kahlschlag und die Verelendung der von ihm weitergeführten marktradikalen Politik Thatchers zu übertünchen. Das Land lechzt nach Veränderung. Umbruch. Umsturz?
Vier Londoner - jede und jeder ohne deren Wissen längst von der Macht des Taroticum berührt - sehen einer ungewissen Gegenwart entgegen. Die Schädel. Die Augen. Die Stundengläser. Die Mondsicheln. Der Kreis schließt sich.
Es spielen:
Name Spieler | | Name SC (Prolog) | | Name & Archetyp SC (Hauptspiel) |
stuntschaf | aka | William "Bloody Bill" Tailor | aka | Todd Galwny (The Weekend Warrior) |
Melora | aka | Michael Brown | aka | Tammy Lawrence (The Broken) |
sicDaniel | aka | Harlan O'Connor | aka | Isaac Starkweather (The Academic) |
Frostgeneral | aka | Richard "Rick" Dorsley | aka | Pater Sebastian MacDothery (The Prophet) |
Software: Roll20 (Spieloberfläche), mycircle.tv (Musik) und TeamSpeak (wir sind in der Regel in Eisenkessels Irrenhaus - danke an Eisenkessel :-*)
Die Runde wird von uns aufgezeichnet. Ob wir sie auch ausstrahlen werden, wird das Ergebnis zeigen.
Für die musikalische Untermalung bedanken wir uns insbesondere bei Cryo Chamber (https://www.youtube.com/channel/UCVHOgH4XEyYx-ZEaya1XqCQ) - Dark Ambient Music, die sich (nicht nur, aber auch) für Rollenspiele hervorragend eignet!
Desweiteren bedanke ich mich bei Red Moon Roleplaying (https://www.redmoonroleplaying.com/) und Anders Fager für die Prolog-Geschichte "Faraday", die ich übersetzen und nutzen darf.
Spieltermin: Circa 14-tägig montags bzw.
dienstags; wird gruppenintern genauer abgestimmt; bei Interesse zuzuhören: bitte am jeweiligen Spielabend bei mir kurz melden, ich kläre das mit der Gruppe ab.
NÄCHSTER TERMIN: Mo, 06.01.2020, 19.30 Uhr - Taroticum - Kapitel 1: Ein Hilferuf, Teil 5
ZUKÜNFTIGE TERMINE (siehe Doodle (https://doodle.com/poll/g22egkkv5c4ckv72))
Tag | Datum | Uhrzeit | Anmerkungen |
Di | 14.01. | 19.30 | |
VERGANGENE TERMINE
Tag | Datum | Uhrzeit | Anmerkungen |
Mo | 30.09. | 19.15 Uhr | Prolog, Teil 1 |
Mo | 01.10. | 19.15 Uhr | Prolog, Teil 2 |
Mo | 14.10. | 19.30 Uhr | Prolog, Teil 3 |
Di | 22.10. | 19.30 Uhr | Kapitel 1, Teil 1 |
Di | 28.10. | 19.30 Uhr | Kapitel 1, Teil 2 |
Mo | 25.11. | 19.30 Uhr | Kapitel 1, Teil 3 |
Di | 10.12. | 19.30 Uhr | Kapitel 1, Teil 4/td] |
Vergangenen Dienstag, 22.10., sind wir in die erste Sitzung der Hauptkampagne von "Taroticum" eingestiegen. Wir haben die Spielercharaktere kennengelernt und wurden Zeuge eines schicksalsträchtigen Hilferufs. Im Folgenden fassen die Mitspielenden die Ereignisse aus der Perspektive ihrer jeweiligen Spielercharaktere zusammen.
Tammy Lawrence
Stay away from me
Just stay away from me
Stay away from me
Stay away of I'll sort you out
Shout shout shout Delilah
Shout shout shout till the kingdom comes
Treading on my dreams
Stop treading on my dreams
Stop treading on my dreams
- aus: Delilah, von: The Cranberries (https://www.youtube.com/watch?v=9RlE3OMfUTY)
Tammys Traum-Tagebuch
Als Tammy die Augen öffnete, blickte sie ein tiefschwarzes Loch, welches sich zu ihren Füßen erstreckte. Sie konnte sich nicht erinnern wie sie herkam – war es vielleicht einfach nur ein Traum? Unsicher blickte sie umher, versuchte zu erkennen wo sie war. Ihre Hände berührten kalten Stein, ihre Beine baumelten in der Luft, streckten sich dem Loch entgegen. Sie saß auf einer Mauer. Ein seltsam gedämpftes Licht umgab sie und hüllte die Szenerie in einen grauen Schleier.
Als sie sich umdrehte, blickte sie in eine schwarze Sonne. Sie schloss die Augen und versuchte ihrer inneren Stimme, ihrem Gefühl zu lauschen.
Das Loch zu ihren Füßen versprach Auflösung, Nicht-Sein. Hier endet jedes Leben. Eigentlich beängstigend… Doch diese unabdingbare, vollständige und unausweichliche Auflösung allen Seins verspricht vor allem eins: Keinen Schmerz! Würde sich Tammy diesem Gefühl hingeben, sich dem Loch nähern, wäre es endlich Still. Keine Erinnerungen mehr an das was damals war, an all das Leid, die Tränen, den Selbsthass. Es wäre einfach alles vorbei…
Ein weiterer Blick auf die schwarze Sonne offenbarte Tammy, dass hier unvorstellbare Grausamkeit, Pein und Qualen warteten. All das wäre der Preis für das Sein, für ein Weiter-Existieren.
Tammy wusste, dass sie sich entscheiden musste. Langsam stand sie auf und setze einen Fuß vor den anderen. Balancierte zwischen Auflösung und Sein, Ruhe und Schmerz, Ende und Weiter-Existieren. Diese Gefühle und Gedanken waren nicht neu für sie. Ihr ganzes Leben hatte sie sich zwischen diesen Grenzen bewegt und gehofft, dass es endlich ein Ende finden würde. Dass die Stimmen nicht mehr da wären, die Erinnerungen sie nicht mehr verfolgen würden, niemand mehr Erwartungen an sie stellen würde und sie endlich jemanden hätte, der die Leere in ihr füllen würde…
Tammy wusste, dass sie es nicht aushalten würde noch mehr Schmerz zu ertragen. Sie drehte sich der Sonne zu und ließ sich mit ausgestreckten Armen nach hinten fallen. Ein letzter Blick offenbarte ihr, dass am Horizont keine Sonne schien, sondern dort ein gewaltiges Zahnrad unaufhaltsam seine Runden drehte. Eine Maschinerie die Leiber und Seelen zerstörte. Angst keimte in ihr auf: Was würde sie in der Tiefe dieses Lochs erwarten? War es vielleicht doch nicht das Ende? Sie schloss die Augen.
Unsanft landete Tammy mit dem Rücken auf dem Boden. Was zur Hölle? Bei der Höhe hätte sie tot sein müssen! Doch nur ein Traum? Aber wo war sie dann?
Blinzelnd versuchte sie die Augen zu öffnen, hielt sich schützend den Arm vors Gesicht. Sie sah etwas rotes, eine rote Stange aus Metall. Weitere Stangen drangen in ihr Sichtfeld. Ein Klettergerüst!
Mit der freien Hand tastete sie den Untergrund ab. Sand. Weicher, kalter Sand. Langsam drückte sie sich nach oben, stöhnte kurz auf, als sie ein stechender Schmerz durchbohrte. Sie schaute an sich runter. Nichts. Schien alles okay zu sein.
Ein Gefühl von Schmerz und tiefer Traurigkeit überkam sie. Sie war noch immer gefangen in dieser Welt. Einer Welt voller Schmerz, Leid, Selbsthass und dem Wunsch nach Anerkennung und Geliebt werden.
Sie erinnerte sich nicht mehr wie sie hierhergekommen war, auf den Spielplatz auf dem sie sich immer mit Claire und den Anderen traf. Sie war allein. Neben ihr lag aufgeschlagen das randvolle Notizbuch. Sie hatte scheinbar eine neue Zeichnung angefangen. Auch daran konnte sie sich nicht erinnern. Sie zeigte ein Loch. Ein gähnend schwarzes, tiefes Loch.
Selten hatte sie sich so einsam, verlassen und wertlos gefühlt wie in diesem Moment. Was sollte sie nun tun? Wo würde sie Halt finden? Ihre Augen fielen auf die Kirche gegenüber. Vielleicht ist dieser Schwarzrock da? Er hatte ihr schon einige Male aus der Patsche geholfen, hatte sich Zeit genommen und das Gespräch gesucht, ihr etwas zu Essen besorgt und sie einfach ‚ausgehalten‘. Dieser Ort versprach Ruhe, Beständigkeit und Sicherheit.
Hastig versuchte sich Tammy wieder aufzurichten, sammelte ihr Notizbuch und die herausgefallenen Seiten wieder ein und ging schnellen Schrittes zur Kirche.
Pater Sebastian MacDothery
Kapitel 8: 1888 – Die Liebenden – Chesed
Das Neueste aus fremden Landen. In Afrika ist das Land Nywere verschwunden. Einfach so. In London ist Cheseds alte Freundin Nekemi noch am Leben und versteckt sich in einem Dachboden in Brixton, den Ich und Seymour angemietet haben. Ich fühle mich ein wenig wie das Bildnis auf der Karte. Ein weißer Mann, der einem schwarzen Mann Wasser reicht. Oder einem schwarzen Mädchen, wie in diesem Fall. Ich biete eine Kleinigkeit für das Wissen eines ganzen Kontinents.
Die Liebenden sprechen von neuen Beziehungen. Zeit, die Liebe in den Mittelpunkt eures Lebens zu stellen. Ich und Elsa hatten einen Flirt mit Donovan dem Dandy. Und inmitten dieser Ausschweifung dachte ich an meine Eltern. Wie kamen sie überhaupt zu dem Fick, der mich hervorbrachte? Besonders wenn man bedenkt, dass mein großer Bruder zu dem Zeitpunkt absolut lebendig und gesund war. War es Pflichterfüllung? Nur eine weitere Hausarbeit? Ich wüsste es wirklich zu gern.
Aus: Das Leben und Unleben des Rupert Faraday, von Anders Fager
Private Korrespondenz von Pater Sebastian MacDothery
Sehr geehrter Vater Wladzinski, lieber Karol,
ich schreibe Dir mit groszer Bestyrzung und zugleich Hoffnung und Mut im Herzen. Ich habe mich in Deiner Gemeinde eingelebt und habe sogleich das erfahren, was du schon zu mir sagtest.
Die Menschen sind nett aber verschlossen. Nur Wenige besuchen unsere schoene Kirche und obwohl der der Groesze des Einzugsgebiets bleibt der Beichtstuhl leer.
Doch es ist nicht so, dass ein jeder Steine werfen duerfe ob ihrer Reinheit. Sie meiden mich, nein, sie meiden viel mehr die Kirche.
Es ist als stuende ich vor einer Mauer aus Schweigen und Zorn.
Ich habe heute beim Aufschlieszen der Corpus Christi eine widerliche Schmierei gefunden.
Ich will dich nicht beunruhigen, doch ich muss mit Wahrheit sprechen, will ich mehr darueber ausfindig machen.
Jemand schrieb mit Blut – ich kenne mich nicht allzu gut damit aus, doch hoffe hier auf Schafsblut, den Schwein, Rind oder gar Mensch waere allzu ketzerisch –die folgenden Zeilen an unsere Front:
"Schweine bleib..."
Ich vermute, dass die Nachricht noch nicht fertig ward und ich den oder die Täter bei der Ausführung überraschte.
Ein neues Mitglied der Gemeinde hatte leider auch nichts gesehen.
Die Hure von Babylon – Tammy Lawrence – ein gestoertes Kind pilgerte zwar sogleich in die Hallen, doch hatte selbst nichts gesehen.
Als ich den Hausmeister suchte, fand ich einen Eimer mit der schaendlichen Flyssigkeit darin und Fuszspuren,
die allzu offensichtlich gen Keller fuehrten. Dort traf ich auf ein kleines Maedchen. In der Finsternis hatte sie kein Lycht dabei,
wohl aber wurde ihre Stirn gerahmt von gyldener Zier. Ein Engel lieber Karol... ich erblickte einen Engel mit Heiligenschein.
Etwas passierte, ich weisz nicht was, doch ich ward wohl niedergeschlagen von dem Ketzer und Haeretiker. Mir geschah nichts,
keine Sorge, Karol. Ich bin wohl auf, doch mein Herz ist voller Freud und Furcht zugleich.
Was haeltst du vor mir Geheim? Ich weisz doch, wie du im Schlafe sprichst und dann nicht antwortest.
Ich bin bereit fuer die Wahrheit und muss es wissen
in Liebe
im September Anno Domini 1992
Sebastian
Todd Galwny
I'm forever blowing bubbles,
Pretty bubbles in the air,
They fly so high, nearly reach the sky,
Then like my dreams they fade and die.
Fortune's always hiding,
I've looked everywhere,
I'm forever blowing bubbles,
Pretty bubbles in the air.
- aus: I'm forever blowing bubbles, von: Cockney Rejects (https://www.youtube.com/watch?v=JsFdvj_df08)
Todds Prolog
Todd lebt seit einigen Wochen in Brixton. Er konnte an der angeschlossenen Schule, der Kirche Corpus Christi einen Job als Aushilfshausmeister ergattern.
Dieser Job füllt ihn zwar nicht, aus aber gibt ihm Struktur. Dieser Rahmen hält ihn in der Welt und tut ihm gut. Auch wenn er keine Befriedigung erfährt, ängstigt ihn der Gedanke an das war er zurückgelassen hat. Er ist gefangen zwischen den Welten, den loslassen kann er auch nicht.
Aufgewachsen ist in West Ham, einem Arbeiterviertel, und auch wenn er selber nie Teil dieser körperlich Arbeitenden Gesellschaft war solidarisiert er sich sehr stark mit ihnen. Er selbst arbeitete in einer Qubicle Farm einer Versicherung als Telefonverkäufer. Dennoch wurde er von den anderen ‚Hammers‘ (Spitzname von West Ham United) akzeptiert, er hat die Schule beendet und eine Ausbildung machen können.
Dann der Schicksalshafte Tag im November. Todd war in dem kleinen Laden an der Ecke einkaufen, etwas Bier und Artikel des täglichen Bedarfs. Als die Telefonzelle an der Ecke klingelte, Todd schaute sich um aber keiner der vorbeigehenden Passanten nahm Notiz davon. Nach etwas zögern ging er ran. Erschrocken stellte er fest, der Anruf war für ihn. Es war Mickey.
An die Stelle der Leere in Todds Kopf, trat das altbekannte pochen. Mickey vergiftete wieder die Gedanken von Todd. So wie er es schon immer gemacht und Todd hinterfragte nicht. Er kann Mickey keinen Widerstand leisten.
Mickey hatte einen Job für ihn, er solle um 12 Uhr an die Waterloo Bridge kommen, in Schwarz, wie früher.
Todds letzten halbherzigen Versuch sich zu wehren wischte Mickey sofort beiseite. „Ich finde dich überall! Und es wäre doch eine Schande, wenn die Group 9 dich auch finden würde“
Todd tat wie ihm geheißen und lief nach Hause. Als er aus seiner Tasche die alten Sachen herausnahm, von denen er hoffte sie nie wieder benutzen zu müssen oder wollen, war es für Ihn als wenn er eine alte Haut überstreifte. Seine weißen Adidas Sneaker, die alte schwarze Jeans und der Hoodie.
Todd stürzte zwei Bier hinunter und ging los. An der Waterloos Bridge angekommen, wartet Mickey bereits auf Ihn. Er begrüßte Todd als ob nie etwas gewesen sei und erzählte, dass er jetzt bei Lancer Incorporated im Housing Bereich arbeiten würde und man hier für Ordnung und besseren Lebensraum sorgen müsse.
Er bedeutete Todd einen schweren Karton in das Zentrum der Zeltstadt um und unter der Brücke zu tragen. Sie enthielt Wolldecken und Whiskey für die Obdachlosen und sollte verteilt werden. Nach getaner Arbeit reichte Mickey Todd einen Flachmann, in alter Tradition nahm Todd einen Schluck und ein Feuer entfachte in ihm. Ein Feuer welches nur noch in ihm glomm, aber durch diesen Schluck mit seinem Kameraden, seinem Waffenbruder und Hauptmann wieder anfing zu lodern als ob Benzin darauf gegossen wurde. Und es fraß sich in Todds Gedanken, seine Muskeln und seinen Willen.
Plötzlich zückte Mickey einen Baseballschläger und begann mit der Hymne der West Ham Fans auf den Lippen die umstehenden einzuschlagen. Dann reichte er den Schläger Todd und alles in Todd wollte nur noch mit diesem Schläger hier aufräumen. Aber Todd zögerte, als ob er auf etwas warten würde. Willig, das zu tun was nun so offensichtlich war. Etwas hielt ihn zurück. Zweifel? Angst? Er wusste es nicht. Doch war es wie ein Donnerschlag in seinem Kopf und das Gewitter wurde entfesselt: FASS!
Und die Welt wurde Schwarz.
Am nächsten Morgen wachte Todd in seinem Zimmer auf, neben dem Bett lehnte an der Wand ein blutverschmierter Baseballschläger.
Seine Hände waren voller Kratzer und Wunden, sein Schädel hämmerte. Er schleppte sich zu dem alten Waschbecken an der Wand und übergab sich.
All die Anspannung, die Erregung und die Gier in seinem Körper waren aus seinem Körper verschwunden und er zitterte. Es war wie ein Kater nach einer sehr durchzechten Nacht.
Todd schämte sich für das Gesicht im Spiegel und brach weinend aber tränenlos zusammen. Der Rausch forderte wie so oft Tribut und wie so oft verzweifelte Todd ans ich selbst.
Prof. Isaac Starkweather
"Wisst ihr, Gull, das ruft mir einige Theorien in den Sinn, die mir mein Sohn Howard vorgetragen hat. Sie legen nahe, dass Zeit eine menschliche Illusion ist… dass alle Zeit im gewaltigen Ganzen der Ewigkeit koexistiert. Eines Tages möchte er eine Abhandlung darüber verfassen."
- "Tatsächlich? Und wie soll der Titel lauten"
"'Was ist die vierte Dimension?' Vierdimensionale Muster im Block der Ewigkeit würden, meint er, dreidimensional Wahrnehmenden als reine Zufallsereignisse erscheinen… Ereignisse die unvermeidlich auf Annäherung hinstreben wie die Linien eines Bogengangs. Sagen wir, etwas eigentümliches geschieht 1788… ein Jahrhundert später findet etwas Ähnliches statt. 50 Jahre später noch einmal. Dann 25 Jahre. Dann 12. Ein unsichtbarer Bogen spannt sich durch die Jahrhunderte."
- "Könnte man also sagen, die Geschichte hat eine Architektur, Hinton? Diese Vorstellung ist höchst majestätisch und furchtbar zugleich."
- Aus: From Hell, Kapitel 2, von Alan Morre und Eddie Campbell
Isaacs Erinnerungen
Es ist irgendein Tag im November 1992, Isaac ist es egal, welcher Wochentag es ist und dass er nicht früh aufsteht wie alle anderen, all diese unausgereiften Regeln und Systeme sind Abfallprodukte einer Gesellschaft, zu der er längst nicht mehr gehört. Seine Familie hat ihn verlassen und seine akademische Karriere war in jener schicksalhaften Nacht kreischend zum erliegen gekommen. Nur die Notizen, die seinen Schreibtisch übersäten, geben ihm noch einen Sinn, ein Ziel, sie rufen ihn zu sich, er muss die Formel finden, das Rätsel lösen, den Schlüssel finden und das Tor, um wieder dorthin zurückzukehren, wo er in jener Nacht alles verloren hat. Miller's Court. Da, auf einem Zettel, der Name des Mädchens, das ihm den Weg dorthin gezeigt hatte. Ash. Nur ein Straßenname. Ihren wirklichen Namen kennt er nicht. Sie war mit Claire befreundet. Sie wusste sicherlich, wohin Claire verschwunden war. Aber wie sollte er an sie rankommen?
Eine weitere Notiz. "Atlantis - 11 PM". Der Atlantis Bookshop. Bücher. Eine Erinnerung: Ein bedeutendes, okkultes Werk, längst verschollen und vermisst, von allen akademischen Zirkeln längst aufgegeben. Doch nun wurden Gerüchte laut, es sei wieder aufgetaucht. Hier in London. Aber der Atlantis Bookshop? Diese Touristenfalle, voller Traumfänger, Duftkerzen und kindischen Pseudoritualen für frustrierte Hausfrauen? Er erinnert sich nicht an diese Notiz, und doch liegt sie da. Isaac entscheidet sich, der Spur nachzugehen.
Stunden später hockt er in einem Pub gegenüber des Atlantis Bookshop und starrt aus dem Fenster, beobachtet das rege Kommen und Gehen der Menschen, die er verachtet, weil sie blind sind und keine Erkenntnisse gewinnen und sich ausnutzen lassen und ihm im Weg stehen. Die Sonne ist längst untergegangen, als der Laden geschlossen wird. Es vergeht eine gute Stunde, bis die ersten Personen die Straße hinabschlendern, schließlich vor dem Buchladen halten und an die Tür klopfen. Die Tür öffnet sich jedes Mal, und die Person tritt ein. Eine der Personen ist besonders. Sie steigt aus einer Limousine, die vor dem Laden hält. In Smoking gekleidet, mit Lederhandschuhen, Gehstock und Hut. Ein wahrer Gentleman. Isaac trifft eine weitere Entscheidung. Er überquert die Straße und klopft an der Tür. Er kannte sogar das richtige Klopfzeichen. Woher? Das fragte er sich nicht. Er beantwortete die Frage, die ihm durch den Türspalt gestellt wurde. "Wer bist du?" - "Ein Sucher der Wahrheit."
Am Ende des langen Ganges betrat Isaac einen Raum, in dessen Zentrum eine kleine Bühne stand. Um diese Bühne herum haben all die Personen Platz genommen, die er hat eintreten sehen. Auch der Gentleman ist da. Auf dieser Bühne: Das okkulte, wertvolle, plötzlich gar nicht mehr verschollene Buch. Isaac erkennt bald, was hier vor sich geht: Es ist eine Versteigerung.
Einhunderttausend Pfund.
Einhundertundfünfzigtausend Pfund.
Zweihunderttausend Pfund und ein Ritual zur Verjüngung des Körpers.
Wahnwitzige Geldbeträge wurden in den Raum hineingerufen. Hat Isaac das gerade richtig verstanden? Magische Rituale?
Zweihundertundfünfzigtausend Pfund und ein Opferritual zur Anrufung dunkler Mächte, hörte Isaac sich selbst rufen.
Opferritual. Miller's Court. Was war geschehen? Hatte nicht Claire ihm das Messer aus der Hand genommen, den kleinen Hund zu verschonen, den sie auf der Straße eingefangen hatten, zum Zwecke einer Opfergabe? So war es immer wieder vor seinen Augen abgelaufen. Doch nun verschwimmt die Erinnerung. Er war es, der ihr das Messer aus der Hand nahm. Er war es, der sie harsch anwies, sich auf die Pritsche zu legen, genau da hin, wo Mary Jane Kelly 1888 von Jack the Ripper ausgeweidet wurde. Er war es, der über sie gebeugt... Oder doch nicht? Miller's Court existierte überhaupt nicht mehr. Welche Stufen waren sie hinaufgegangen, welche Tür hatten sie geöffnet, die sie in das kleine Zimmer führte, in dem noch der Duft von Blut in der Luft lag? Oder war es lediglich eine kleine Rampe, die hinaufführte in den Lagerraum im hinteren Teil eines Gemüseladens, der heute dort steht? Wo hatte Ash ihn hingeführt? Und wo ist Claire?
Als Isaac aus seiner Trance erwacht, ist es still, und er ist allein. Er verlässt fluchtartig das Gebäude und findet sich vor dem Buchladen wieder, dessen Tür fest verschlossen und vergittert ist. Auf keinen Fall kann er gerade aus dieser Tür gekommen sein, aber wo war er dann gewesen?
***
Am nächsten Tag erhält Isaac einen Brief. Ein teuer anmutender Umschlag, feine Handschrift auf edlem, schweren Papier. Es ist die Handschrift des Gentleman. Isaacs gestriges Abenteuer hat Aufsehen erregt, hat Interesse geweckt. Der Gentleman gibt ihm einen Hinweis.
Ash. Tammy Lawrence. Finde sie in der Corpus Christi Church. R.F.
Am 28.19 folgte Teil 2 von Kapitel 1 der Kampagne Taroticum - die Zusammenfassung wieder aus Sicht der Spielercharaktere
Private Korrespondenz von Pater Sebastinan MacDothery
Sehr geehrter Vater Wladzinski, lieber Karol,
ich musste am gestrigen Tage leider meinen woechentliche Stuhlkreis abbrechen.
Ein Professor aus der Innenstadt hat unsere Gemeinde besucht und wollte nicht so sehr zu mir, sondern viel mehr mit Tammy sprechen.
Die Hure von Babylon hat ihn verfuehrt und seine Schritte in die Kirche gefuehrt, allerdings nur in boeser Absicht.
Sie schlug ihn in den heiligen Hallen und stuermte dann nach drauszen. Eine Frechheit sondergleichen.
Ihr Gespraech dauerte wohl etwas laenger, ich schickte die Glaeubigen aber dann nach Hause.
Die Stimmung war vergiftet und eine wohlige Atmosphaere wollte sich nicht mehr Einstellen.
Ein Gentleman in einer Limousine gab mir vor der Kirche ein kleines Paeckchen, ein Buch mit Umschlag, eingewickelt.
Er sagte, ich wuesste schon fuer wen dies sei und fuhr dann weiter.
Ich werde seit geraumer Zeit von Alptraeumen heimgesucht, die mir eine Synderin zeigen.
Sie ist mit Dummheit geschlagen und sagt, dass jemand ihr Kinde toeten wolle.
Da mir diese Traeume eher als Vision oder Gesichte erscheinen, habe ich Nachforschungen angestellt und herausgefunden,
dass diese Dame wohl verbunden sein muss mit einem ehemaligen Gefaengnis, nur ein paar hundert Meter Luftlinie von uns entfernt.
Vielleicht kennst du diesen Orte ja? Mittlerweile wird Sandburn als Sanatorium fuer Geistesschwache genutzt.
Dorthin werden mich meine Schritte morgen tragen.
Allerdings hatte ich wieder eine Begegnung mit dem goldenen Maedchen, die wohl so viel mehr ist.
Sie zeigte mir meine Begleiter auf und so werde ich wohl mit dem ekelhaften Hausmeister und der Hure dort hin reisen.
Auch der Professor soll wohl dabei sein. Er sucht wohl eine Freundin von Tammy, ich vermute aber viel eher, dass er Unzucht mit ihr trieb.
Karol, diese Zeiten sind Gottlos ohne dich,
ich versuche mein Bestes,
In Liebe,
Sebastian
Tammys Tagebuch
Dieser Traum beschäftigte mich noch immer. Wer war diese Frau? Und warum brauchte sie meine Hilfe? Sie sprach von ‘euch’ - wer waren die anderen?
Ihr Gesicht hatte sich tief in mein Gedächtnis eingebrannt…
Statt dem Schwarzrock bei seinen selbstgefälligen Schwafeleien zuzuhören, schnappte ich mir mein Buch und fing an diese Frau zu zeichnen. Ich wollte diesen durchdringenden Blick unbedingt einfangen und hatte die Hoffnung sie so endlich aus meinem Kopf zu bekommen.
Scheinbar hatte sich jemand neben mich gesetzt, denn ich bemerkte, wie sich jemand zu mir rüber beugte und mich fragte wen ich da malen würde. Diese Stimme hatte nichts Gutes an sich! Mir schossen sofort wieder die Bilder aus der Nacht, in der ich Claire verlor, in den Kopf. Wegen ihm bin ich zusammengebrochen, wegen ihm ist Claire überhaupt auf die Idee gekommen in dieses Haus zu gehen… Er ist schuld, dass sie weg ist!
Ich blickte hoch, sah in das Gesicht des Fremde und wusste: Er ist es! Dieser verdammte Wichser! Wie konnte er es wagen hierher zu kommen und mich aufzusuchen?!
Meine Gefühle fuhren Achterbahn und ich wollte nur eins: Klarheit und Genugtuung!
Ich vergaß wo ich mich gerade befand und ging auf ihn los. Meine Wut bahnte sich ihren Weg. Ich sprang auf, ließ mein Buch und meinen Stift fallen, ging auf dieses Arschloch zu und schrie ihn an. “Was hast du mit Claire gemacht? Wo ist sie? Wehe du hast ihr was angetan du dummes Arschloch!” Die Antworten die er mir gab waren ungenau. Er gab vor, nicht mehr zu wissen was passiert sei. Eine Lüge! Ich hatte ihn gesehen als ich wieder zu Bewusstsein kam. Er lief blutverschmiert auf die Straße, ließ mich einfach liegen. Der Bastard log!!! Ich stieß ihn nach hinten, er fiel über seinen Stuhl und stolperte nach draußen. So nicht mein Freundchen! Nicht mit Ash! Ich werde es zur Not aus dir herausprügeln!
Ich lief hinterher, folgte ihm unter neugierigen Blicken auf den Spielplatz. Ich schrie weiter auf ihn ein, wollte endlich Klarheit. Er faselte, er habe keine Ahnung, würde sich an nichts erinnern und erdreistete sich meine Hilfe einzufordern. Als er von der Frau aus meinem Traum sprach hielt ich kurz inne. Woher wusste er davon? Was für ein Mensch war er wirklich? Vielleicht gab es doch eine andere Erklärung? Nein! All das Blut, sein aggressives und dominantes Auftreten, seine Verachtung gegenüber mir. Er musste schuld sein!
Als ich auf ihn losging, schubste er mich nach hinten. Ich fiel in den Sand, wurde noch wütender.
Dann kam dieser Todd. Noch so ein erbärmlicher, widerlicher Typ. Ich dachte schon er würde jetzt mitmachen wollen und sich daran ergötzen wie das Straßenmädchen fertig gemacht wird. Stattdessen stellte er sich zwischen uns und redete auf diesen arroganten Schnösel ein. Der Feigling machte kehrt und ging zurück in die Kirche.
Ich brauchte ein paar Minuten um wieder runterzukommen. Was sollte ich jetzt tun? Die einzige Möglichkeit herauszufinden was mit Claire passiert ist, war dieser Typ. Wenn ich mir jetzt nicht was einfallen lassen würde, wäre er über alle Berge.
Todd erzählte mir auch von dieser Frau. Er hat wohl den selben Traum gehabt wie ich. Dann hat dieser Typ gelogen und konnte nicht “hellsehen”, sondern hatte auch nur denselben Traum gehabt. Was ein verfickter Arsch! Der soll sich verdammt warm anziehen.
Gemeinsam mit Todd überlegte ich, wie man ihn drankriegen könnte. Wir werden ihm einfach einen Sack über den Kopf ziehen und auf ihn einschlagen. Das hatte er sowas von verdient!
Als wir da so saßen verhielt sich Todd irgendwie seltsam. Er starrte die halbstarken Jungs auf dem Karussell an. Sie soffen Bier und schienen Lust auf Stress zu haben. Ich kannte sie und wusste, dass sie nur dumme Sprüche machten und allenfalls mal jemanden um ein paar Euro erleichterten. Sie würden es nicht wagen herzukommen, waren sie doch auf mich angewiesen um sich mit Stoff einzudecken… Die Lage schien sich dann aber von allein wieder zu entspannen und wir beobachteten wie dieser Prof sich mit dem Schwarzrock unterhielt und dann wegging.
Kurz darauf hielt eine Limousine vor der Kirche. Keine Ahnung was das für eine Aktion war, aber es dauerte nur ein paar Sekunden ehe sie wieder im Nebel der Stadt verschwand…
Gemeinsam mit Todd überfielen wir also wie geplant den arroganten Hurensohn und verprügelten ihn ordentlich. Verdammt tat das gut! Jeder Schlag war eine innere Befriedigung für meinen Verlust und meine Angst um Claire.
Er erzählte von dem Traum und dass er sich wirklich an nichts mehr erinnern konnte. Er war überrascht, dass ich das Tier in dem Sack gesehen hatte und ihn blutverschmiert habe rausrennen sehen. Er schien verdammt nochmal die Wahrheit zu sagen… Um mehr herausfinden zu können, musste ich wohl tatsächlich mit ihm gemeinsame Sache machen.
Gemeinsam gingen wir in die Hausmeisterwohnung von diesem Todd. Man, was hatten wir diesen Typen zugerichtet! Ich bin mir immer noch nicht sicher, ob ich ihm trauen kann oder trauen will. Die Story ist einfach zu abstrus… Da fällt mir ein, dass ich nicht mal seinen Namen weiß. Hmmm. Vielleicht nenne ich ihn einfach Ripper oder so. Ob es sich so zugetragen hat? Vielleicht überkam ihn irgendwas und er hat dasselbe getan was Jack the Ripper damals getan hat…? Oh Gott! Ich denke lieber nicht drüber nach.
Irgendwann kam der Pfaffe dazu und ging mir tierisch auf den Sack. Scheinbar provozierte ich ihn an den richtigen Stellen und er wurde zum ersten Mal seit ich ihm begegnet bin abfällig mir gegenüber. Er beleidigte mich und Frauen im Allgemeinen und war schneller wieder verschwunden als ich gucken konnte. Recht so! Soll er sich doch mit der strickenden Lady und dem schwarzen Hansel beglücken. Vielleicht findet er ja noch ein paar kleine Jungs mit denen er sich die Zeit vertreiben kann… Der glaubt wohl nur weil er mich zweimal nett angelächelt hat, dass ich ihn jetzt vergöttere…
Als wir wieder nach draußen gingen, kam so eine schräge Alte mit nem Einkaufswagen und zig Taschen vorbei. Ich habe ja schon echt viel in den Straßen Londons gesehen und bin auch vieles gewöhnt, aber die war schon ziemlich abstoßend! Vor allem hatte sie eine Puppe dabei und faselte die ganze Zeit was von ihrem Kind und man müsse ihm helfen und was weiß ich. Mir ging das irgendwann zu weit und ich machte mir den Spaß daraus, ihr das Ding wegzunehmen und durch die Gegend zu schmeißen. Alter! Was ging die auf einmal ab…
Irgendwer hatte Mitleid mit ihr und gab ihr das Drecksding wieder. Dann zog die Alte von dannen.
Ich glaube wir sollten tatsächlich mal in diesem Asylum oder was das war vorbeischauen. Sandburn… Auch die Alte sprach davon.
Todds Erinnerungen
Todds Leben nahm langsam wieder Gestalt an. Er arrangierte sich mit der Arbeit und den wöchentlichen Treffen bei dieser 'Sabbelgruppe für Gestörte' wie er es nannte. Es wurde langsam ein Zuhause für ihn und der Vandalismus an der Kirchentür und die kaputte Fensterscheibe ärgerten ihn. Er wollte sein Zuhause schützen . Dieser Pseudo-Gutmensch von Pastor mit seiner ,erzählt mir all euren Kummer'-Gruppe am Donnerstag, aber das war wohl der Preis, den er zahlen musste. In West Ham war auch nicht alles perfekt. Apropos Donnerstag, es war mal wieder soweit. Todd räumte die Stühle zurecht und kochte Tee und Kaffee. Er wusste, dass die Hälfte wieder weggegossen werden würde. Wer würde denn schon kommen? Der Afghane von der Ecke, der jeden für einen Neonazi hält, die alte Katzenfrau mit ihrem Strickzeug und diese verhaltensauffällige 'ich rede nicht, ich male nur in mein Buch eieiei'-Tussi. Wie hieß sie noch? Amber? Egal. Und natürlich 'erzählt mir euren Schmerz, damit ich mir darauf einen runterholen kann' Pater MacDothery. Aber heute kam jemand Neues, ein etepetete Professor oder so. Und ab da wurde es für Todd spannend. Der Neue und unsere Kaputte sprangen sich fast an die Kehle, Todd fand das irgendwie geil. Worum ging es da? Er hat sie geknattert? Oder ihre Freundin? Oder beide??? Egal, gleich knallt es. Todd wurde erst raus gerissen als Pater Mac Dothery ihn anfuhr. "Hinterher! Bringen Sie Tammy bitte zurück." Todd realisierte, dass die beiden raus gelaufen waren. Draußen auf dem kleinen Spielplatz stritten die beiden weiter. Es ging wohl immer noch um die Freundin. Und dann - "Sandburn'? Was hatten die gesagt? Sandburn?! Wie in seinem Traum, den er die Nacht davor hatte?! Das kann kein Zufall sein. Als der Fremde Tammy körperlich bedrängt, entscheidet sich Todd einzugreifen.
Die ganze Szenerie wurde von drei Halbstarken beobachtet, die mit einer (wahrscheinlich geklauten) Flasche Vodka Einen auf dicke Hose machen wollten. Todd verspürte nach der Nacht an der Waterloo Bridge aber kein Verlangen und schob alle Gedanken daran, die drei in ihre Schranken zu weisen ,beiseite.
Er blieb mit Tammy weiter draußen sitzen und sprach sie schlussendlich auf seinen Traum an. Sie hatte den gleichen oder zumindest einen ähnlichen Traum gehabt. Beide entschieden sich, Prof. Starkweather, der wohl der Boss von Tammys Freundin war, zur Rede zu stellen. Mit einem Sack, wollten sie ihm in einer Gasse auflauern. Als sie aufbrechen wollten, sah Todd Mickey in einem der Jugendlichen hämisch grinsen und nicken. Oder bildete er sich das nur ein? Ihnen gelang es den Professor zu überwältigen und mit etwas körperlicher Gewalt zum Reden zu bewegen. Als der Professor anfing, etwas über den Traum zu erzählen, dass er ihn auch hatte und welche Bedeutung er ihm zusprach, begann es wieder in Todds Kopf zu hämmern. In seiner kleine Wohnung wollten sie alles weitere besprechen. Plötzlich stand der Pater vor der Tür, drängte in die Wohnung und fing an mit den dreien zu streiten. Dieser Streit eskalierte darin, dass der Pater Tammy ohrfeigte, in Todds Wohnung.
Dennoch konnten sie sich darauf einigen, gemeinsam nach Sandburn zu fahren. Denn auch der Pater hatte einen Traum, oder Vision bzw. Erscheinung wie er es nannte.
Als sich die Gruppe aufzulösen begann, aufgrund der voran geschrittenen Stunde, kam es noch zu einer Begegnung mit einer Bag Lady. Sie brabbelte wirres Zeug und hielt eine Puppe in die Luft und schrie, sie sollen das Neugeborene schützen. Genau die gleichen Worte wie in dem komischen Traum! Tammy wurde der Frau gegenüber gewalttätig und auch der Pater sah keine Veranlassung der Dame zu helfen. Er gab sogar Todd die Schuld am auftauchen der alten Frau.