Die Schlacht der drei Kaiser
Auszug aus dem persönlichen Tagebuch von Major-Maga Isarun von Spogelsen, Magistra i.s.m. des Ordo Sagittarum Luminis02. Firun 1028 BF – Talf[...] erreichten wir gegen Mittag das Städtchen Talf, das von seinen Bewohnerinnen und Bewohnern wohl ganz verlassen wurde. Hinter den mit aufgespießten Köpfen gezierten Zinnen der Stadtmauer fanden wir den Rondratempel niedergebrannt und die Taverne voller zerbrochener Möbel sowie etwa fünfzig Barbaren aus den Trollzacken – und unserem alten Bekannten, den Troll Grauelheim, der wohl besonders von der neben der Taverne gelegenen Imkerei angetan war. Die Barbaren verehrten den Troll wie eine heilige Gestalt und bedienten ihn mit süßem Honigmet und Bonbons.
Rafim marschierte sogleich auf den größten der Barbaren zu – Trak von Kekrach wurde er geheißen – und forderte ihn zum Zweikampf über die Herrschaft über Talf und den Barbarenhaufen heraus. Das Publikum schien sich vor der Weite des Himmels zu fürchten und verblieb in der Taverne, wo sie neugierig aus Tür- und Fensteröffnungen hervorlugten. Auch einen Schamanen hatten die Trollzacker dabei – "Schochzul" nennen sie diese Zauberwirker wohl. Abelmir, Boltax und ich behielten diesen Kerl genau im Auge; nicht dass er seinen Häuptling mit unlauterer Magie unterstützen wollte.
Trak von Kekrach war genauso ein Hüne wie Rafim und sogar gleich breit. Er schwang zwei gewaltige Barbarenstreitäxte, als wären es gewöhnliche Handbeile. Der Zweikampf war ungleich allem, was ich bisher gesehen hatte. Als ob zwei Berge aufeinander prallten. Beide Kontrahenten steckten Treffer ein, die einen durchschnittlichen Menschen entzwei gespalten hätten. Jedoch schien der Schochzul es als unehrenhaft zu empfinden, dass Rafim den Häuptling mehrfach umriss. Auch einige andere der Barbaren begannen zu murren und an den Griffen ihrer Waffen herumzufingern. Ich beschloss Rafim darauf hinzuweisen, dass er den Gegner auf den Beinen lassen sollte. Die Trollzacker schienen zufrieden zu sein und der Kampf ging weiter. Rafim schlug dem Barbaren die eine Axt aus der Hand und der Trollzacker schien schon beinahe besiegt, als er mit einem letzten gewaltigen Hieb ausholte und Rafim mit großer Wucht traf. Beide Kontrahenten stürzten leblos zu Boden. Die Zauberkundigen unter uns eilten gleich herbei, um unsere jeweiligen Gefährten zu heilen. Der Schochzul bediente sich dabei einer Art gemeinschaftlicher Blutmagie, bei der alle Trollzacker etwas von ihrer Lebenskraft spendeten, um ihren Häuptling wieder auf die Beine zu holen.
Rafim erwachte vor Trak von Kekrach und so hob Grauelheim unseren Gefährten in die Höhe und erklärte ihn zum König von Talf. Die Barbaren erkannten dies frohgemut an und luden uns in die arg mitgenommene Taverne ein, um mit uns zu feiern. Der Trollzacker Gonnach, den wir bereits in Markt Heidengrund getroffen hatten, überreichte uns einen sogenannten "Zebukrah" – einen Ritualdolch, welchen wir Rafim als Zeichen seiner Häuptlingswürde überreichen sollten. Währenddessen erzählten uns die Trollzacker einige interessante Dinge über ihre Sicht der Welt. Auch sie hatten vor langer Zeit schon einmal gegen den "Schwarzdrach" gekämpft und sind grundsätzlich bereit, dies erneut zu tun. Im Süden wissen sie den "Leuchtemann", der böse Geister tötet. Im Nordwesten sind die Wälder um Wutzenwald herum voller Untoter, außerdem gäbe es dort Kinder und "Tiefgeborene". Im Westen wohnt eine Hexe, deren "Mondmacht" groß sei und die "böse Geister" habe.
Wahrscheinlich handelt es sich dabei um die Hexe, welche wir bereits vor fast einem Götterlauf hier angetroffen haben. Sie schien relativ harmlos zu sein. Boltax war dennoch neugierig und beschloss sie zu besuchen, wobei Zhulamin ihn beschützen wollte. Auch Gonnach bat seinen neuen König um die Erlaubnis, die beiden zu der "Mondmacht-Frau" zu begleiten. Währenddessen blieb Rafim noch ein wenig in Talf, um sich zu erholen. Danach sollte es mit Abelmir nach Norden gehen, den Wutzenwald von Untoten befreien. Yarlan und ich setzten jedoch unseren Plan um, dem früheren Illuminatus Albuin von Bregelsaum, von den Trollzackern "Leuchtemann geheißen, einen Besuch abzustatten.
03. Firun 1028 BF – Gelborn "Sonnenland"Nach einer Tagesreise zu Pferd erreichten Yarlan und ich die südliche Bockelburg, wo das Banner von Gräflich Zweimühlen im Wind flatterte – merkwürdig, eigentlich sollte diese Gegend doch das Banner von Zwerch tragen? Wir ritten offen auf die Burg zu und zeigten gar unsere leeren Hände, doch wurden wir von sicherlich fünfzehn Bogenschützen auf den Zinnen mit Pfeilen begrüßt. Da machten wir lieber einen Bogen um die Burg und näherten uns dem Dörfchen Mühlheim (hier in der Gegend hat anscheinend jedes zweite Kaff etwas mit Mühlen oder Wutzen zu tun). Doch auch hier reagierte man abweisend auf uns: ängstlich versteckten sich die Mühlheimer vor einem Bannstrahler und einem Pfeil des Lichts in ihren Häusern. Ein halbwüchsiger Bursche, der zitternd in seinem Wachtürmchen saß, berichtete uns schließlich, dass der Herr Albuin hier immer nach Hexen suche und schon einige angebliche Hexen fortgeschleift habe. Marianne, die Weibelin von der südlichen Bockelburg, habe geraten sich zu verstecken, denn sicher käme der Herr Albuin wieder zurück, um noch mehr angebliche Hexen zu verschleppen.
Wir ritten weiter gen Süden und erreichten schließlich den Flecken Gelborn nahe den sogenannten Zauberersümpfen (welch alberner Name). Hier angekommen eröffnete Yarlan mir aus heiterem Himmel, dass ich all mein Gold an den Herrn Albuin und seinen Hof abzugeben habe, weil alles Gold dem Herrn Praios gehört. Das mag wohl sein, doch ist dies wohl ein höchst ungewöhnlicher Brauch. Mit hochgezogener Augenbraue übergab ich Yarlan also, was ich an Gold dabei hatte, denn anscheinend dürfen Zauberkundige das nicht selbst tun (oder so etwas). Wir erreichten den Wehrhof, "Sonnenland" geheißen, wo der Herr Albuin mit seiner Braut Erasthona Hof halten solle, und die Goldübergabe wurde vollzogen. Von den Anhängern des Albuin, die unsere Pferde entgegennahmen, erfuhren wir, dass Answin d. Ä. von Rabenmund den Herrn Albuin aus Talf vertrieben habe und sie deswegen hier im Süden seien. Außerdem haben sie von hier die Geister vertrieben. Auf dem Weg zum Haupthaus des Wehrhofes wurden wir an zwei angeketteten Gestalten vorbeigeführt: einer angeblichen Hexe und einem um Gnade bettelnden Grolm. Während ich wenig Mitleid mit dem Grolm hatte, hatte ich doch meine Zweifel an der Schuld der angeketteten Frau. Auch den Schädel des Heiligen Gilborn bekamen wir zu Gesicht; eine wahrlich wundersame Reliquie, in deren Gegenwart ich meine Sternenkraft seltsam gezügelt spürte.
Der frühere Illuminatus empfing uns durchaus freundlich und berichtete uns eher vage von den Geschehnissen, die ihn zu diesem Ort geführt hatten. Vorsichtig begann ich nach seinen Plänen zu fragen, wollte ich mir doch selbst ein Bild von demjenigen machen, den Yarlan ohne zu zögern als PRAios' leibhaftigen Sohn anerkannt hatte. Er berichtete, dass in Auweiler angeblich eine Magokratie bestünde, inklusive Chimären. Die Bitte, sich um die Reinigung der Trollmauer zu kümmern, nahm er an, schien sie aber auf die gleiche Prioritätsstufe wie die Vernichtung von Bohlenburg zu stellen, wo der ansässige Praiosgeweihte böse Gerüchte über ihn verbreitet habe. Außerdem sei Gareth nicht wichtig – ja, selbst die Kirche des PRAios sei nicht wichtig! Ein aufschlussreiches Gespräch, bei dem ich mich durchaus mehrere Male zur Ordnung rufen musste, um dem ehemaligen Illuminatus nicht zu widersprechen. Auf die angekettete Frau angesprochen, sagte er, dass es sich hierbei um eine Hexe handele, denn sie wurde... beim Kräutersammeln angetroffen und daraufhin gefangen genommen. Die Allweise habe Erbarmen mit Toren, die sich einer solchen "Logik" bedienen! Also bot ich dem Herrn Albuin an, dass ich die "Hexe" gern außerhalb des "Sonnenlandes" untersuchen und befragen will, ob sie denn auch tatsächlich eine schädliche Zauberwirkerin sei. Großzügig überließ er mir die Frau und trug mir auf, sie Seiner Spektabilität Foslarin zu übergeben, mit dem er "einen Pakt eingehen" wolle – was auch immer das bedeuten mag. Die Pfeile des Lichts sollen über die "Hexe" richten.
Zum Abschied gab der Herr des "Sonnenlandes" uns seine Hand. Ein gar merkwürdiges Erlebnis für mich! Meine Hand wurde seltsam taub und ich fühlte, wie das Nayrakis aus ihr ebbte. Der Herr Albuin scheint wahrlich vom Herrn PRAios berührt zu sein. Ich hatte wahrlich schon vielen Dienern des Fürsten der Götter die Hand gereicht, doch ein solches Erlebnis hatte ich noch nie. Ich habe viel nachzudenken auf unserem Rückweg zu unseren Gefährten...
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Aus einem Gespräch zwischen einer unbekannten Hexe und ihrem gefiederten Vertrauten, geführt im Madaschein am Höllngrund-See, Anfang Firun 1028 BF"Treuer Sabriel, was hast du in Widmannshus gesehen? Ist unsere Schwester, das verräterische Miststück, immer noch in unserem Heiligtum?"
"Kraaah... als ich kam, war sie noch da. Miststück! Viel willensschwaches Volk um sie. Schufteten tagein, tagaus, krah. Hielt sich für eine Königin."
"Königin, pah! Dass ich nicht lache. Hat sich schon immer gern bedienen lassen, aber das ist auch das Einzige, was sie mit einer Königin gemein hat. Flucht wie eine Rollkutscherin, säuft wie ein Loch und hurt herum, das Biest. Erzähl weiter, Sabriel."
"Kamen drei neue Menschen, krah. Ein großer Stinker aus Talf. Ein kleiner Stinker von untertage. Eine Frau von weither. Roch nach Rosen und Pferd, krah."
"Und sie haben sich auch in Allariels Netz einspinnen lassen, hm?"
"Großer Stinker und Rosenfrau, ja. Kleiner Stinker, nein. Kleiner Stinker, erdverwurzelt, Sumu nah. Hat das Miststück gewittert, krah."
"Ein Druide? Nein, wie heißen noch gleich diese Druidenzwerge? ... Mir fällt's nicht ein, Sabriel. Fahr fort."
"Erdstinker wollte, dass das Miststück ihm gegen Schwarztotschwinge hilft, kraaah. Aber sie ist feige. Will nicht kämpfen. Will versteckt bleiben und weiter Königin spielen. Erdstinker spielte das Spiel mit und bat Rosenfrau um einen Gefallen, als sie allein waren. Rosenfrau sprach und ihre Göttin schenkte ihr und Erdstinker Frieden und Klarheit. Rosenfrau erkannte den Zauber des Biests, krah."
"Und dann? Haben sie dem Miststück den hässlichen Kopf abgeschlagen? Hah, das würde ihr Recht geschehen."
"Kraaah... nein. Erdstinker lockte das Biest auf einen Spaziergang. Da rief er die Mutter Sumu an und das Erdreich tat sich auf und verschlang Erdstinker, Rosenfrau und Königin Miststück, mit Haut und Haar. Verschwunden waren sie, geradewegs in Sumus Leib, krah!"
"Hah! Mutter Sumu hat geholfen, die heilige Stätte ihrer Tochter aufzuräumen! Ich hoffe, sie haben die blöde Schnepfe da unten zurückgelassen. Soll sie zwischen Steinen und Wurzeln vermodern, dann hat es sich mit ihrer ach so tollen Schönheit."
"Und du, Herrin, was hast du im Norden gesehen, krah?"
"Nun, die großen Stinker aus Talf, wie du sie so schön genannt hast, sind gemeinsam mit ihrem neuen Häuptling und einem Kerl in einer schwarzen Robe nach Wutzflucht marschiert. Den Schwarzberobten haben sie vorgeschickt, der war wohl der Späher."
"Oder entbehrlich, krah-ha-ha."
"Oder das. Er hat die Leute von Wutzflucht befragt und von Martan Kindervater gehört."
"Kindervater schmiedet Kinderkrieger, krah."
"Genau, Sabriel. Sie sind also schnurstracks in Richtung Zorkforst. Vor Kreutzmarkt sind sie wieder stehengeblieben, also der neue Häuptling und die großen Stinker. Den in der schwarzen Robe haben sie wieder vorgeschickt. Er also auf den Marktplatz des verlassenen Marktfleckens und hat auch gleich Martan Kindervater an seiner Schmiede getroffen. Der hielt den Schwarzberobten für einen Nekromanten und rief gleich die Kinderrotte: sie sollten ihn fesseln und knebeln. Er versuchte noch wegzulaufen, aber da hatten sie ihn schon und schleiften ihn in eins der Häuser."
"Und der Häuptling?"
"Dem wurde nach einiger Zeit langweilig und er ist mit seinen Stinkern auf den Marktplatz marschiert. Weiß nicht, was genau er Marten gesagt hat, aber der wirkte nach kurzer Zeit überzeugt und rückte den Schwarzberobten wieder raus. Es gab noch ein bisschen Palaver, aber am nächsten Tag sind sie weiter gezogen nach Wutzenwald. Dort war eine schreckliche Stimmung, Sabriel, das kann ich dir sagen. Ein Gefühl wie eine Gewitterwolke, die den Horizont überspannt. Der Baron Aldoron von Wutzenwald hatte eine Gruppe zu Hilfe eilender Boronkrieger für Untote gehalten und sie allesamt niederreiten lassen. Einer hat noch überlebt, der hat bitterlich geweint."
"Baron ist blind, krah?"
"Ach Sabriel, du weißt doch, dass die gewöhnlichen Menschen im Dunklen nicht so gut sehen wie du und ich. Jedenfalls hat der Schwarzberobte versucht, den Baron zu trösten. Und dann haben sie sich mit den großen Stinkern gesammelt, um die Untoten in den Wäldern zu vernichten."
"Gut, gut. Und nun? Talf ist wieder leer... Sabriel mag Honig stibitzen."
"Nun, da hast du natürlich Recht, mein Lieber. Lass uns nach Talf fliegen. Wer weiß, was uns dort noch für Abenteuer erwarten. Auf, auf!"