EdT:
Nach dem Fall des Dritten Reichs gings bergab mit dem anonymen Umzugskartonsbesitzer U. Niemand wollte ihm glauben, dass er in Wirklichkeit ein französischer Undercoveragent war, denn seine Vorgesetzten hatte es dahingerafft. So musste er, das Schlimmste befürchtend, flüchten! Vermummt mit einem Schal, so dass ihn keiner erkennen konnte, entkam er zunächst nach Italien. Aber auch dort wollte ihn keiner. Knapp einem Mordanschlag entronnen, siedelte er sich zunächst auf Mallorca an, nur um kurz darauf aufs spanische Festland umzuziehen. Doch - oh grausam Schicksal, auch dort wurde er entlarvt... seine mangelhaften Vokabelkenntnisse hatten ihn verraten! In einem dunklen Kellerverlies erwartete er zitternd, wie es mit ihm weitergehen sollte. Wochen verbrachte er hier, vergessen von der Welt. Als sich schließlich die Klappe, durch die ihm sonst Wasser und Brot geschoben wurde, nicht mehr öffnete, und er allmählich zu verhungern drohte, fing er mit von der feuchten Kälte ungelenken Fingern, die erste Kakerlake.
Als Esteban García Díaz an einem kühlen Herbstag den Keller betrat, in dem der letzte Gefangene saß, fand er dort, zu seiner großen Überraschung, keinen vermodernden Leichnam vor. Stattdessen saß dort ein wohlgenährter Mann in abgerissener Kleidung, der genüßlich in eine Rohkost-Kakerlaken-Torte biss. Verärgert trat Esteban näher. "Du da!", rief er fordernd, "Woher hast du das Essen?". Und der Gefangene antwortete, in scheußlichem Spanisch, dass er es selbst gefangen und zubereitet habe. Da strich sich Esteban nachdenklich über das stoppelige Kinn. Wer unter solchen Bedingungen derlei Mahlzeiten zuzubereiten vermochte - welch außergewöhnliche Köstlichkeiten würde er wohl erst unter besseren Bedingungen zaubern können? Estebans Magen knurrte hungrig, als er an die fade Kost dachte, die er derzeit, auf sich allein gestellt, vertilgen musste. Ein Lächeln breitete sich auf seinen Lippen aus, als er dem Gefangenen die Hand reichte. "Esteban ist mein Name und ich suche einen Koch."